7. Oktober 2012

The Artist



Jedes Jahr versuchen sich die großen und die kleinen Hollywoodstudios mit ihren Filmen zu übertrumpfen. Die großen Blockbuster schlagen oft mit einem Budget von mehr 200 Millionen Dollar oder sogar mehr zu buche, warten mit allen möglichen technischen Schnickschnack wie modernste Computeranimationen oder, ganz groß in Mode, 3D auf. Das mag den Streifen vielleicht einen gewissen Schauwert geben, aber oft bleibt dabei das wichtigste auf der Strecke: die Story und die Charaktere. In zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren sehen transformierende Roboter genauso lächerlich aus wie viele ähnliche Produktionen, deren Qualität immer mehr zu wünschen übrig lässt. Aber ab und zu zeigt sich, dass das Kinopublikum auch mit anderen, vielleicht sogar anspruchsvolleren Filmen etwas anfangen kann. Das beweist beispielsweise Ziemlich beste Freunde, der 2012 mit fast neun Millionen Zuschauer in die Kinos locken konnte. Zum Vergleich sei erwähnt, dass US-Blockbuster wie The Avengers, The Dark Knight Rises und The Amazing Spider-Man zusammen nicht rund acht Millionen Zuschauer in die deutschen Kinos gelockt haben. Der einzige Kinofilm von 2012, der in Deutschland nur annährend herankommt, ist Ice Age 4 mit etwa 6,5 Millionen Zuschauern.

Aber lassen wir die Zahlenspiele mal beiseite, denn es gibt immer wieder Überraschungen. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass ein französischer Film, gedreht in den USA und teilweise mit amerikanischen Schauspielern besetzt, die Welt in ihren Bann ziehen würde? Vor allem auch deswegen, weil es sich dabei um einen Stummfilm handelt, der komplett nach dem klassischen Prinzip entstanden ist. Fünf Oscars, zwei Preise in Cannes und drei Golden Globes sollten eigentlich ein Garant dafür sein, dass ein solcher Film an den Kinokassen ein Erfolg wird. Doch wie so oft werden solche ambitionierten Streifen von vielen Theatern, außer vielleicht den großen Ketten oder Programmkinos, nicht so gerne aufgenommen. Man könnte ja vor einem leeren Haus spielen, also bringt man oft seelenlose Riesproduktionen in die Kinos, bei denen oft das Pferd geritten wird bis die Knochen rausschauen.

Natürlich mag ich auch Großproduktionen, aber oft kommt da ein kleiner Film daher, der mehr birgt als so manches Hollywoodmachwerk. The Artist ist ein solcher Film. Liebevoll inszeniert entwickelt er sich als Hommage an die klassische amerikanische Traumfabrik. Der Cineast findet darin zahlreiche Zitate aus großen Klassikern wie beispielsweise Orson Welles Citizen Kane oder an die klassischen Hitchcockfilme. Dabei wird eine Geschichte erzählt wie sie typischer für das frühe Kino nicht sein kann. Der Stummfilmstar George Valentin entdeckt eher zufällig die talentierte Peppy Miller, die einen kometenhaften Aufstieg beginnt. Der Actionstar, dem man Douglas Fairbanks und John Gilbert als Vorbild stark ansieht, kann sich seines Ruhmes nicht lange erfreuen, denn schon kurze Zeit später erscheint der Tonfilm auf der Bildfläche. Da er sich weigert in den sogenannten Talkies aufzutreten, ist seine Karriere bald am Boden. Doch die kesse Peppy macht einen Film nach dem anderen. Allerdings ist die in George sehr verliebt und versucht ihn heimlich zu unterstützen, was zu einer fatalen Situation führt…

Michel Hazanavicius, der bei uns durch die James Bond-Parodien OSS 117 bekannt geworden ist, bietet eine klassische, geradlinige und vor allem melodramitische Liebesgeschichte, die sehr stark an A Star is Born erinnert. Dennoch strahlt sein Werk eine große Originalität aus, denn der Regisseur und Drehbuchautor wartet mit einem Stummfilm auf, der sich stark an seinen klassischen Vorbildern orientiert. Aber genau das macht den Reiz des ganzen dann auch aus, denn der Zuschauer hat schon sehr lange auf klassische Tanzszenen im Stil von Bubsy Berkeley verzichten müssen. Klassische Musicalelemente gepaart mit einer solchen Geschichte in einem Stummfilm? Ja, das funktioniert sehr gut. Hazanavicius scheut sich nicht auch engeren Kontakt mit dem amerikanischen Kino aufzunehmen und einige amerikanische Schauspieler wie John Goodman, James Cromwell und sogar Malcom McDowell ließen sich die Chance nicht nehmen bei einem solchen altmodischen Projekt teilzunehmen.

The Artist ist ein sehr vergnüglicher Film, der eine wirklich wohltuende Abwechslung gegenüber den normalen Mainstreamfilmen ist. Auch sehr gut geeignet für einen altmodischen Kinoabend und absolut sehenswert.

Ein kleiner Nachtrag noch… *Klugscheißmodus an* Die erfolgreichste internationale Kinoproduktion, die in Deutschland gelaufen ist, ist… Das Dschungelbuch aus dem Hause Disney. Die erfolgreichste deutsche Produktion ist nach wie vor noch Der Schuh des Manitou. *Klugscheißmodus aus* :-)

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