8. Mai 2011

Königreich der Himmel

Wie bereits im Eintrag zu Gladiator vor ein paar Tagen bemerkt, ist Ridley Scott einer der wenigen Regisseure, die es vermögen den Zuschauer in vergangene und zukünftige Welten zu führen. Königreich der Himmel ist keine Ausnahme, zumindest, was die Langfassung des Films betrifft. Die Kinoversion ist ein sehr gutes Beispiel dafür, was passiert wenn ein Studio kalte Füße bekommt und dem Regisseur strenge Vorgaben und leere Versprechungen macht.

Vor nicht allzulanger Zeit habe ich mir die limitierte Cinedition des Director's Cut von Königreich der Himmel auf Blu-ray gekauft. Schon oft habe ich vor der BD gestanden, aber mich schreckte ab, dass es keines der extrem interessanten Extras des 4-DVD-Sets auf die Neuauflage geschafft hat. Das hat sich bei der Cinedition geändert, denn hier findet man die beiden Zusatz-DVDs aus dem alten Set wieder. Die Specials zeigen sehr gut wie man aus einem Film zwei total verschiedene Versionen machen kann.

Um es auf den Punkt zu bringen: Insgesamt 45 Minuten musste Ridley Scott aus seinem Film schneiden lassen, weil 20th Century Fox eine Laufzeitvorgabe von rund 140 Minuten machte. So fehlen in der Kinofassung ganze Subplots, die Königreich der Himmel in sich schlüssiger machen. Ein Beispiel ist die Storyline mit dem Sohn Sibyllas, der der Thronfolger ihre Bruders ist. In der Kinofassung wird nicht klar, dass der Kleine ebenfalls an Lepra erkrankt ist und von seiner Mutter vergiftet wird, um ihn weiteres Leid zu ersparen. Ebenso erfährt man Anfang mehr über die Beziehung Balians zu seiner Frau, die Rolle seine Bruders, einem diabolischem Mönch, wird näher beleuchtet sowie etliche andere Szenen, in denen die eigentliche Handlung des Streifens wesentlich homogener wirkt. Im Prinzip wurden in der Kinofassung nur die richtigen Moneyshots dringelassen. Im Director's Cut besitzt Königreich der Himmel allerdings eine wesentlich größere Intensität, fast auf dem gleichen Stand wie Scotts Gladiator, den er meiner Meinung nach auch oft übertrifft.

Doch warum wurde dem Kinopublikum nur eine verstümmelte Version präsentiert? Das Kinofilme auf ein laufzeitgerechtes Format runter geschnitten werden ist in Hollywood üblich. Doch bei der Centfox zieht sich dies spätestens seit Cleopatra systematisch durch die Studiopolitik. Das Historienepos mit Elizabeth Taylor wurde erst von zwei Filmen zu einem, danach nochmal auf rund drei Stunden runtergekürzt, damit die Kinobesitzer ihn öfter am Tag spielen konnten. Ähnlich ging es James Cameron, der seine Versionen von Aliens und The Abyss ebenfalls nicht richtig verwirklichen konnte. Selbst bei Titanic wollte Fox Hand anlegen lassen, was der kanadische Regisseur verhinderte. Das eine gekürzte Version von Avatar in den Kinos erschien ging alledings nicht auf die Studiopolitik zurück, sondern war vielmehr ein wirtschaftlicher Gedanke.

Aber zurück zu Königreich der Himmel. Fox hatte Ridley Scott versprochen seinen Director's Cut zeitnah nach der Kinofassung auch in die Theater zu bringen. So arbeitete der Regisseur mit seinem Team parallel an der gekürzten und der verlängerten Version. Nachdem aber die Kinofassung eher gemischt aufgenommen wurde, nahm das Studio wieder Abstand von seinem Versprechen. Quasi in einer Nacht und Nebel-Aktion wurde der Director's Cut dann doch in einem extrem limitierten Rahmen auf die Leinwand gebracht. Aber immerhin war er dann gut genug für die Videoauswertung innerhalb der Century3-Reihe von Fox Home Entertainment.

Die Specials sind gerade bei diesem Film hochinteressant, weil Ridley Scott keinen Hehl daraus macht, wie unzufrieden er mit dem Umgang seines Werks ist. Im Gegensatz zu anderen nimmt er auch kein Blatt vor den Mund, was sehr positiv ist und sich deutlich von dem sonstigen Friede, Freude, Eierkuchen-Making ofs unterscheidet. 
Lohnt sich ein Wechsel von DVD auf Blu-ray? Anfangs war ich skeptisch, denn die DVD-Version ist sehr hochwertig (einen ausführliche Besprechung findet man hier), aber die HD-Abtastung bietet systembedingt mehr Details. Gerade bei solch einem Film kommt das dem Genuss zugute, keine Frage. Mir hat der Film auch nach dem xten Mal immer noch Spaß gemacht. Sehr empfehlenswert.


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