24. November 2006

Casino Royale

Was wurde im Vorfeld nicht geschimpft über den neuen James-Bond-Darsteller. Über seine Ausrutscher während der Dreharbeiten wurde gespottet, über seine scheinbaren Schwächen von vielen hämisch gelächelt. Nachdem feststand, dass Pierce Brosnan nicht mehr als britischer Superagent auf der Leinwand erscheinen würde, lief das Besetzungskarussell wie wild. Viele Namen wurden ins Gespräch gebracht: Ewan McGregor, Hugh Jackman, Clive Owen und viele andere. Aber keiner, vielleicht außer Clive Owen, wollte sich das Holster mit der Walter PPK anlegen. Kein Wunder, denn wenn man einmal James Bond war, dann ist es sehr schwer von diesem Image wieder loszukommen. Sean Connery hat Jahrzehnte dafür gebraucht.

Daniel Craig, dessen prallen Arsch man u.a. auch im ersten TOMB RAIDER-Film bewundern konnte, war der Wunschkandidat von Barbara Broccoli, Produzentin und Tochter des Ur-Bond-Producers Cubby Broccoli. Ihr Ziel war es, zusammen mit ihrem Mann Michael G. Wilson, neue Impulse für das Franchise zu geben. Andererseits kann es auch gewesen sein, dass man unbedingt einen neuen Weg einschlagen musste.

Auch wenn DIE ANOTHER DAY vielleicht nicht jedermanns Sache ist, war er dennoch der erfolgreichste Film der ganze Bond-Reihe gewesen. Stellenweise erinnerte das Effektfeuerwerk stark an die letzten Beiträge von Roger Moore, die oft nur noch Nummernrevuen waren. Dennoch hatte Brosnan sechs Jahre nach dem LICENCE TO KILL-Desaster dem smarten Agenten neues Leben eingehaucht. Tatsächlich hat der mit DIE WELT IST NICHT GENUG einen der besten Filme der Reihe auf den Weg gebracht.

In den vier Jahren seitdem DIE ANOTHER DAY im Kino gelaufen war, hatte sich viel getan. Schon Anfang 2000 hatte MGM/UA es geschafft per Gerichtsklage gegen Sony die kompletten Rechte an allen Bond-Romanen und -Verfilmungen zu bekommen. Damit war ein jahrzehntelanger Streit zuende gegangen, der den offiziellen Bond-Producern von EON die Haut rettete. Gleichzeitig entstand eine größere Abhängigkeit zur eigentlichen Produktionsgesellschaft. Der Clou kam aber einige Jahre später zustande, als Sony die angeschlagene MGM/UA einfach aufkaufte und sich damit ein sehr lukratives Geschäft verschaffte. Nicht nur James Bond hat dort seine Heimat, sondern auch Inspector Closeau, Tom und Jerry und viele andere bekannte Figuren. Zudem verfügt MGM/UA über eines der größten Filmarchive überhaupt, wobei die Auswertungsrechte der MGM-Klassiker vor 1980 bei Warner Brothers liegen, die durch den Aufkauf von Turner Entertainment an diese Goldgrube kamen.

Was das mit James Bond zu tun hat? Nun, diese Fakten bilden den Hintergrund, vor dem der neue Bond-Film entstand. Der offizielle Bond 21, der eigentlich schon Bond 24 ist, geht einem Trend in Hollywood nach, der spätestens sein STAR WARS: EPISODE 1 in Mode gekommen ist: dem Prequel. CASINO ROYAL ist der erste Roman von Ian Fleming um den britischen Agenten und wurde bereits in den 50er Jahren vom Fernsehen mehr schlecht als recht verfilmt. Da dies einer der wenigen Romane an dem das alte Produzentenduo Broccoli und Saltzman keine Rechte hatte, wurde in den 60ern noch eine Parodie mit dem gleichen Titel nachgeschoben. CASINO ROYAL mit David Niven ist ein Kind seiner Zeit, an dem sich viele Regisseure versuchten. Doch viele Köche verderben den Brei, auch wenn diese Köche Regie-Stars wie Val Guest, John Huston oder Billy Wilder hießen.

Untypisch für CASINO ROYAL 2006 ist, dass nichts dem Zufall überlassen wurde. Zwar lieferten Neal Purvis und Robert Wade, die auch schon die Drehbücher für die beiden vorangegangenen Filme schrieben, ihr Skript, doch es wurde nochmal von Paul Haggis (MILLION DOLLAR BABY, L. A. CRASH, FLAG OF OUR FATHERS) durch die Mangel gedreht. Herausgekommen ist ein Film, der die Substanz des Roman von Ian Fleming wiedergibt. Dieser Bond nähert sich seinen beiden Vorbildern, Sean Connery und dem literarischen Vorbild, sehr stark an. Daniel Craig verkörpert einen rauen, ungeschliffenen Agenten mit psychopathischen Zügen. Dabei wirkt er stellenweise so kalt, dass einem ein Schauer über den Rücke läuft.

Jeder, der gedacht hat, dass Craig nicht die richtige Besetzung gewesen wäre, wird nun Lügen gestraft. Er schafft es sich dem Flair eines Sean Connery anzunäheren, bietet aber dennoch eine neue Variante, die wunderbar in die heutige Zeit passt. Überraschend ist es, dass man auf viele Versatzstücke aus den alten Filmen verzichtet hat. So werden kaum technische Spielereien geboten und auch die visuellen Effekte wurden sparsam genutzt. Mit Eva Green hat man einen weiblichen Gegenpart gefunden, der es durchaus mit Bond aufnehmen kann. Hinzu kommt noch ein Schurke, der ebenfalls einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Martin Campbell, der schon mit GOLDENEYE Bond aus der Versenkung holte, bietet einen knallharten Actionfilm, wie man ihn im Jahr 2006 nur sehr selten gesehen hat. Die Stunts sind oft so spektakulär, dass es dem Zuschauer den Atem verschlägt. Aber auch die ruhigen Töne lässt er nicht außer acht, was sehr begrüßenswert ist. Zwar ist das Kartenduell zwischen Le Chiffre und James Bond vielleicht etwas zu langatmig geraten, aber dennoch besitzt es eine gewissen Reiz. Ebenfalls interessant sind die teilweise sehr geschliffenen Dialoge zwischen Bond und Vesper Lynd.

Um die ganze Melange noch zu perfektionieren wurde wieder David Arnold für die Filmmusik verpflichtet, der seit TOMORROW NEVER DIES die Scores für die Bond-Filme gemacht hat. Ähnlich wie bei THE WORLD IS NOT ENOUGH war er auch an der Komposition des Songs von Chris Cornell beteiligt. Im Gegensatz zu seinen anderen Soundtracks benutzt Arnold das typische Bond-Thema erst zum Ende des Films. Zitiert er gerne ein Leitmotiv, das aus dem Titelsong abgeleitet wird. Dies teilt dem Zuschauer mit, dass sich dieser Bond erst noch selbst definieren muss, bevor er zu dem wird, was die Fans mögen und wollen.

CASINO ROYALE ist eine willkommene Abwechslung nach einem eher durchwachsenen Filmherbst. Er vermag es den Zuschauer zu fesseln und bietet eine gute Geschichte. Vor allem aber stehen hier nicht die Spezialeffekte im Vordergrund, so wie sie es bei einigen Filmen des Kinosommers 2006 getan haben. Man darf schon gespannt sein auf den nächsten Bond, denn CASINO ROYALE wartet mit einem relativ offenen Schluss auf, soviel sei verraten. Laut Vorankündigungen wird es Ende 2008 weitergehen. Man darf gespannt sein...

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